Es
ist schon über ein Jahr her, seit sich die Suhler Kinder auf den Weg machten um
die alten Trolle von dem Bann zu befreien, mit dem die alte Hexe sie und am
Ende auch sich selber an den Wald gebunden hatte. Und ebenso lange währt nun
schon der Streit zwischen dem Oberlehrer der Trollschule und den Hexen. Noch
immer meinte der Lehrer, dass auch Trollkinder so früh wie möglich zur Schule
gehen müssen und noch immer meinten die Hexen, dass auch Trollkinder so lange
wie möglich Kinder bleiben sollten. Da Trolle sehr sehr alt werden, bliebe ja
noch genug Zeit, die Schulbank zu drücken.
Nun
trug es sich zu, dass in der Stadt mal wieder ein großes Fest ausgerichtet
wurde um etwas gegen den Griesgram zu unternehmen. Ja, den Griesgram gab es
immer noch und er nutzte weiterhin jede Möglichkeit, sich in Suhl breit zu
machen. Selbst auf Wahlplakaten soll er schon gesehen worden sein. Und man
hatte Angst, dass es der Griesgram eines Tages schaffen könnte, die gesamte
Macht an sich zu reißen. Und das galt es natürlich zu verhindern. Die Erfahrung
hat gezeigt, dass es dem Griesgram zu wider war, wenn er fröhliche Menschen
erlebte. So versammelte sich alles, was Rang und Namen, hatte auf diesem Fest
und auch die Hexen und der alte Lehrer durften natürlich nicht fehlen. Natürlich
kann man nicht dem Griesgram gegenüber treten, wenn man selbst im Clinch liegt
und so siegte die Vernunft und man einigte sich auf einen Kompromiss. Die
kleinen Trolle sollten sich einigen Prüfungen stellen um zu beweisen, dass sich
auch ohne die Schulbank zu drücken, durch Leben schlagen konnten.
Doch
dazu sollte es nicht mehr kommen! In dem Moment, als die Prüfungen beginnen
sollten ertönte plötzlich lautes Geschrei und Gezeter und alle schraken
zusammen. Auch Geschrei und Gezeter sind völlig ungeeignet, gegen den Griesgram
zu kämpfen. Erstaunt blickten sich alle um und entdeckten ein uraltes
Fuchs-Ehepaar, welches fürchterlich miteinander zankte und nichts von der
Umgebung mitbekam. Im Schlepptau hatten sie ein riesiges wandelndes
Märchenbuch, das ebenso aufgeregt schien. Dem alten Lehrer gelang es
schließlich, die drei zu beruhigen und sie in ihre Mitte einzuladen. Er bat
Frau Fuchs zu erzählen, was denn der Grund der Aufregung war und so erfuhren
alle, dass sich im Wald eine neue geheime Macht breit machte, die mit Hilfe
einer dunklen Magie versuchte, alle Märchen, Geschichten und Sagen rund um Suhl
aus dem Gedächtnis der Menschen und Trolle zu löschen. Wenn man keine
Erinnerung mehr an seine Geschichte hat, verfällt man sehr schnell dem
Griesgram und nun wussten alle, wer da seine Finger im Spiel hatte. Sofort
waren sich alle einig, dass man dagegen etwas tun musste und man fragte die
Hexen um Rat. Die taten sich zusammen und erschufen ein magisches Tor, durch
das die Kinder in die geheimnisvolle Welt der Märchen eintauchten und so ihr
neues Abenteuer erlebten…
Das
Portal erstrahlte in den schönsten Farben, eine wundersame Melodie ertönte und
die Hexen mussten sich sehr anstrengen, damit sie die Magie lange genug
aufrecht erhalten konnten, bis wirklich alle auf der anderen Seite waren.
Füchse, Kinder, Trolle, Märchenbuch und Hexen befanden sich endlich alle
gemeinsam in der Märchenwelt, die sich auf den ersten Blick überhaupt nicht von
der normalen Welt unterschied. Ein bisschen gruselig war es schon und die
Kleinsten fassten sich an den Händen und warten darauf, dass das Abenteuer
beginnen konnte. Voller Erwartung schauten alle auf die Füchse, die ihnen sagen
mussten, wie es weiter geht. Die waren sich natürlich wieder nicht einig und
begannen einen fürchterlichen Streit über den Weg, den sie einschlagen
sollten. Das Märchenbuch stand nur
kopfschüttelnd daneben. Der Trolloberlehrer schaffte es schließlich, die beiden
zu besänftigen und den wohl richtigen Weg herauszubekommen. Es ging durch eine
schmale Gasse und dann … nach rechts oder vielleicht doch nach links. Man kann
sich schon denken, was los war; die Füchse stritten schon wieder. Diesmal war
es an der Hexe, die beiden an die Wichtigkeit ihrer Aufgabe zu erinnern. So
ging es nach links, eine breite Straße entlang, die sie zwischen großen
leuchtenden Palästen hindurchführte. Manchmal konnten sie die Menschen in der
realen Welt sehen und diese beobachten. In der Märchenwelt wurden sie nicht
erkannt und konnten so ungehindert ihren Weg fortsetzen.
Als Fuchs und Füchsin wieder streiten wollten, wie es nun weiterging, entschied
das Märchenbuch, dass es nun an der Zeit war, die große Straße zu überqueren.
Gesagt, getan. Nun ging es zwischen einem große Palast und einem uralten Haus
hindurch und alle bemerkten plötzlich ein höchst seltsam anmutendes Wesen. Es
war ein riesiger Troll. Er saß auf einer dicken Mauer und schaute lust- und
ziellos vor sich hin. Er wirkte weder fröhlich noch traurig oder irgendwie
sonst. Er saß einfach nur da. Als der alte Lehrer ihn ansprach, reagierte er
überhaupt nicht. Er starrte weiter vor ich hin und zeigte keine Reaktion. Erst
eine kleine Berührung der Hexe ließ ihn aufschrecken und er begann sich zu
bewegen. Die Kinder fragten ihn, wer er war und was er an diesem Ort zu schaffen
hatte, aber er wusste es einfach nicht. Es stimmte also wirklich, die Trolle
hatten ihre Erinnerung verloren. Die Lage war sehr ernst. Dem Troll war nichts
weiter zu entlocken als ein zusammenhangloses Gemurmel, welches er ständig
wiederholte. Alles schien keinen Sinn zu ergeben aber Frau Fuchs meinte, dass
ihr diese Wortfetzen bekannt vorkamen und ermahnte die Kinder, sich diese gut
einzuprägen.
Die
Gruppe machte sich wieder auf den Weg und da der Troll nichts weiter mit sich
anzufangen wusste, trottete er einfach mit.
Kurz
darauf kamen sie wieder an eine Weggabelung und diesmal waren sich die Füchse
tatsächlich mal einig. Es gab dort eine kleine Brücke an diese sich beide
erinnern konnten. So ging es also mal ohne Zank weiter. Ein kleine Stück weiter
sahen sie einen großen kräftigen Troll auf einer alten Treppe sitzen. Auf
seinem Schoß saß ein sehr kleiner Troll, bei dem es sich scheinbar um seinen
Sohn handelte. Auch diese beiden starrten einfach völlig ausdruckslos vor sich
hin und zeigten keinerlei Regung. Diesmal gelang es auch der Hexe nicht, die
beiden aus ihrer Trägheit zu lösen. Es kam eine gewisse Unruhe auf; niemand
wusste, wie es weitergehen sollte und wo die Reise nun hinging. Schließlich
fingen die Füchse einen furchtbaren Streit an. Herr Fuchs wollte die beiden
einfach zurücklassen, Frau Fuchs war sich sicher, dass die Trolle noch eine
wichtige Rolle spielen würden und man sie unbedingt zum Mitgehen bewegen
musste. Der Streit wurde so schlimm, dass der kleine Troll plötzlich zusammenschrak
und so auch seinen Vater aufmerksam machte.
Beide
fingen auch gleich an, ebenso unverständliches Zeug zu brabbeln, das sie
ständig wiederholten. Den Kindern war natürlich sofort klar, dass sie sich auch
dieses Gebrabbel dringend merken mussten. Mit drei nutzlosen Trollen machten
sich alle wieder auf den Weg.
Sie kamen kurz darauf wieder an eine große Straße und es erklangen die
lieblichen und lockenden Klänge eines riesigen Jahrmarktes. Die Kinder waren
kaum noch zu halten und Hexe, Füchse, Lehrer und Märchenbuch zogen sich zu
einer kurzen Beratung zurück. Als sie zu den Kindern zurückkehrten, machten sie
ihnen klar, dass es sich bei dem Jahrmarkt nur um eine sehr böse Falle des
Griesgrams handeln konnte, die nur dazu diente, die Kinder von ihrem
eigentlichen Vorhaben abzubringen. Schließlich gaben alle nach und beschlossen,
einen großen Bogen um den Rummel zu machen. Der Weg führte sie nun um einen
wunderschönen Teich mit einer riesigen Fontaine in der Mitte. Sie verweilten
kurz, um die Ruhe zu genießen und etwas zu entspannen.
Unter einem Baum entdeckten sie dann einen weiteren, sehr kleinen Troll. Er
stand mit dem Rücken zu ihnen und schien sie überhaupt nicht zu bemerken. Das
Märchenbuch ging um den kleinen herum und flatterte wild mit seinen Seiten, bis
der Wind dem Troll in der Nase kitzelte und dieser niesen musste. Von seinem
eigenen Nieser erschrocken, fing er an, ebenfalls so zusammenhangloses Zeug zu
murmeln. Die Kinder wussten nun schon Bescheid: Merken und nicht wieder
vergessen. Mit einem weiteren Troll im Schlepptau ging es rasch weiter.
Diesmal hatten die Füchse nicht zu entscheiden, wie es weiterging, sondern die
Kinder selbst wollten unbedingt den wunderschönen Teich umrunden und das Spiel
des Wassers so lange wie möglich genießen. Ihnen war klar, dass sie hier für
einen Moment sicher vor dem Griesgram und seinen Schergen waren. Am Ende des
Teiches blieb nur der Weg an einer riesigen Herberge vorbei und dann eine
Treppe hinauf. Irgendwie bekamen alle den Eindruck, im Kreis zu laufen aber wer
kann schon sagen, wie es in der Märchenwelt wirklich aussieht. Am Ende der
Treppe trafen sie auf einen weiteren Troll, der ihnen bekannt vorkam. Neue
Hoffnung schöpfend eilte die Gruppe auf dieses Wesen zu, wurde aber schnell
enttäuscht; auch dieser Troll war nicht mehr Herr seiner Sinne, bemerkte die
Meute aber noch und auch er gab diese komischen Wortfetzen von sich.
Da Hexe und Lehrer nicht mehr die Jüngsten waren wurde beschlossen, an einen
nahegelegenen Brunnen eine kurze Rast zu machen und sich am erfrischenden
Wasser zu laben. Am Brunnen angekommen wurden sie schon von zwei Wirtsleuten
erwartet, die ihnen statt des ersehnten Wassers einen magischen Trank anboten.
Dankbar stillten alle ihren Durst, als die Hexe auf eine Truhe aufmerksam wurde,
die ihr nicht fremd war. Einer der Wirtsleute erzählte ihnen, dass die Truhe in
ihre Obhut gegeben wurde und sie schon merken würden, für wen sie gedacht war.
Nach kurzer Beratung erhielt die Hexe die Truhe, öffnete sie und fand eine
große Anzahl handgefertigter Zauberstäbe. Neue Hoffnung schöpfend verteilte sie
die Stäbe an die Kinder und erklärte ihnen, dass der Griesgram nur bezwungen
werden konnte, wenn alle ihre Kräfte vereinten. Noch wusste sie nicht, was der
Griesgram sich ausgedacht hatte um die gestohlenen Erinnerungen zu bewachen und
mit welchem Zauber er zu bezwingen war aber alle machten sich gestärkt auf den
restlichen Weg. Der alte Lehrer warf ein, dass es Menschenkindern nicht möglich
war, in der Märchenwelt zu zaubern und sie nun durch ein nahegelegenes Portal
wieder in ihre eigene Welt wechseln müssten. Gesagt, getan.
Die
Füchse kannten sich in beiden Welten aus, führten alle ein Stück die Straße
entlang, stritten dabei natürlich ständig über den richtigen Weg und erreichten
schließlich einen kleinen Eingang zu einem Park. Wie ein Wächter lauerte dort
ein weiter Troll und hielt die Gruppe auf. Dieser Troll schien tatsächlich noch
klar denken zu können und fragte sie nach ihrem Vorhaben. Nachdem alles erzählt
war, sagte der Troll ihnen, dass der Park wohl verzaubert wurde und man
manchmal seltsame Geräusche vernehmen konnte. Alle waren sich einig, dass es
sich um den Griesgram – in welcher Form auch immer – handeln musste und die
Erinnerungen hier irgendwo versteckt waren.
Als der Troll die Zauberstäbe in den Händen der Kinder bemerkte, wollte er
natürlich wissen, welchen Zauber sie anwenden wollten. Nun waren alle ratlos.
Auch Hexe, Lehrer, Füchse und Buch hatten keinen Plan parat. Den Kindern fielen
die Wortfetzen wieder ein und jemand meint, dass es sich wohl um ein Rätsel
handeln konnte. Der letzte Troll erinnerte sich daran, so etwas schon einmal
gesehen zu haben und gemeinsam gelang es ihnen, einen Zauberspruch
zusammenzufügen, der sich als sehr mächtig erweisen sollte. Mit neuem Wissen
und neuem Mut ging es leise weiter. Alle hielten ihre Zauberstäbe bereit und
waren stets darauf gefasst, diese auch einzusetzen.
Plötzlich glaubten einige, in der Ferne ein tiefes Grollen zu vernehmen. Andere
meinten Rauchschwaden zu sehen und wieder andere rochen Asche und verbranntes
Holz. Langsam schlichen alle weiter in diese Richtung. Nach einer Weile
entdeckten sie mitten im Park einen großen Hügel, der da eindeutig nicht
hingehörte. Wie ein Vulkan erhob er sich in die Höhe. Von dort kamen eindeutig
auch die Geräusche, der Gestank und der Qualm. Als sie näher kamen sahen sie,
dass es sich um eine Höhle handelte aus deren Eingang sich ein riesiger,
monströser Drache schlängelte. Unter seinem großen, qualmenden Maul lag eine
prunkvolle Truhe und sie wussten, dass hier wohl alle Erinnerungen drin waren.
Vorsichtig näherten sich alle dem Ungetüm, die kleinsten zuerst, die größeren
dahinter. Die Märchenwesen hielten sich im Hintergrund; diese schwere Aufgabe
konnten die Kinder nur ganz allein bewältigen. Gemeinsam richteten sie ihre
Zauberstäbe auf das Ungeheuer und wiederholten immer wieder im Chor den
erratenen Zauberspruch. Dieser bannte den Drachen nach einiger Zeit, so dass er
bewegungslos in seiner Höhle verharrte. Schnell holten die stärksten Trolle die
Truhe und gemeinsam flohen alle in Richtung Festplatz.
Dort
angekommen fanden alle Trolle ihre Erinnerungen in der Truhe und Gold war auch
noch drin. Das teilten die Kinder unter sich auf, das hatten sie sich verdient!
Die
Eltern bekamen von dem ganzen Tumult überhaupt nichts mit und es lag an den
Kindern, ob und was sie ihnen erzählen würden. Die Hexe und der Lehrer
versprachen, sich um den gelähmten Drachen zu kümmern und die Seiten im
Märchenbuch erstrahlen in hellem Glanz und es konnte ein neues Abenteuer
hinzugefügt werden.